Etymologie
Die Bezeichnung Krähe ist in fast allen indogermanischen Sprachen ein lautmalerischer Name, der ihre typischen Lautäußerungen nachahmt: ahd. krâwa, mhd. krâ, kraeje, kreie oder krowe, altslawisch krâja.
Rabe (ahd. hraban, mhd. rabe) ist mit niederländisch raaf, englisch raven und altisländisch hrafn verwandt. Das Wort stammt von der lautmalerischen Wurzel ker, die scharrende oder kratzende Geräusche nachahmt; auch Harke und krächzen hängen damit zusammen. Der Rabe wurde also als „Krächzer“ benannt.[2]
Intelligenz
Krähennest aus Kleiderbügeln in Tokio
Einer wissenschaftlichen Untersuchung zufolge sind Raben und Krähen die Vögel mit der größten Intelligenz.[3] Beispielsweise zeigen sie in Experimenten die Fähigkeit, komplexe Handlungen im Voraus zu planen. Beim Verstecken von Futter zeigen sie sowohl große Merkleistungen als auch die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Ein Rabe scheint zu wissen, dass ein Futterversteck nur dann sicher ist, wenn er beim Verstecken nicht beobachtet wird.
Zudem legen sie ein erstaunliches Lernverhalten an den Tag (z. B. Herstellung von Werkzeug, Nutzen des Straßenverkehrs zum Knacken von Nüssen und Früchten, wobei sie die von Autofahrern überfahrenen Nüsse an roten Ampeln aufsammeln). Kurz nachdem das Verhalten bei einem Individuum festgestellt worden war, wurde es auch in einem Radius von mehreren Kilometern um den Entdeckungsort herum beobachtet. Dies wird als Beweis für ein bisher ungeahnt schnelles Lernvermögen interpretiert.[4]
Häufig sieht man sie auch als Begleiter von Wölfen oder anderen Beutegreifern, um sich dann am Riss zu beteiligen, oder aber um zu stibitzen.
Ein Team um Heather Cornell an der University of Washington fand 2006 durch Experimente mit Masken heraus, dass die Amerikanerkrähen auf dem Campus der Universität in der Lage waren, sich Angreifer zu merken. Sie gaben dieses Wissen sogar weiter. Im näheren Umfeld reagieren bereits nach 2 Wochen 60% der Krähen auf die Maske des Angreifers. In einer darauf folgenden Studie konnte belegt werden, dass dieses Wissen um die Gefahr sogar an die Nachkommenschaft weitergegeben wurde. Die Krähen der nächsten Generation erkannten die ihnen eigentlich unbekannte Maske ebenfalls als Gefahr. Ihre Arbeit wurde am 20. Juni 2011 in der Fachzeitschrift "Proceedings of the Royal Society B" veröffentlicht.[5]
Die Universität Bochum führte ein Experiment durch, bei dem Raben ein roter Punkt aufgeklebt wurde. Nachdem sie sich im Spiegel gesehen hatten, versuchten sie, sich den Punkt vom Hals zu picken. Sie verstanden also, dass sie gerade ein Abbild von sich selbst gesehen hatten – eine Leistung, zu der viele auch als intelligent geltende Säugetiere nicht in der Lage sind.[6]
2012 fand Alex Taylor von der University of Auckland bei einem Experiment mit Neukaledonienkrähen heraus, dass die Vögel die Fähigkeit besitzen, bei einem beobachteten Phänomen auf eine versteckte Ursache zu schließen. Die Krähen stellten einen Zusammenhang her zwischen einem Stock, der sich anscheinend von selbst bewegte, und einem Menschen, der kurz darauf ein Versteck in der Nähe des Stocks verließ. Bisher war vermutet worden, dass nur Menschen in der Lage sind, eine solche Schlussfolgerung zu ziehen.[7]
Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen nahe dem Starnberger See haben 2014 erste Ergebnisse vorgestellt, die eine gewisse Kommunikationsfähigkeit der Raben durch Gesten belegen.[8]
Mythologie und kulturelle Rezeption
Die auffälligen Krähen und Raben spielen weltweit eine Rolle in Sagen und Märchen. Demnach haben alte Götter und Könige ihre Weisheit, Intelligenz und Flugfähigkeit genutzt. Parallel dazu spielen diese Vögel auch eine Rolle im Volks- und Aberglauben. In vielen Märchen zum Beispiel ist häufig vom weisen Wanderer „röiven“ (altdeutsch) die Rede, welcher verirrten Wandersleuten den richtigen Weg weist (und oft ein paar Tipps mit auf die Reise gibt). Bekannt sind die Grimmschen Märchen Die sieben Raben und auch Die Rabe.
In der nordischen Mythologie symbolisiert der Rabe die Weisheit, der Gott Odin hatte stets die beiden Kolkraben Hugin und Munin bei sich, die auf seinen Schultern saßen und ihm berichteten, was auf der Welt vor sich ging. König Artus soll in einen Raben verwandelt worden sein. Dem griechischen Gott Apollon waren die Raben heilig (siehe Koronis). In der Erzählung von der Sintflut lässt Noah einen Raben fliegen (Gen 8,6-7 ELB). Der Prophet Elija wird, laut der Bibel, während einer Hungerzeit von Raben versorgt (1 Kön 17,6 ELB). In der babylonischen Version des Sintflut-Mythos, dem Atraḫasis-Epos, sandte Atraḫasis nach dem Ende des Regens drei Vögel aus: Eine Taube, eine Schwalbe und einen Raben. Der Rabe kehrte nicht zurück, darum wusste Atraḫasis, dass das Land wieder begehbar war. Sowohl in der jüdisch-christlichen, als auch in der älteren babylonischen Version ist die Erde nach der Sintflut „gefallen“, was zum schlechten Image des Raben als Unglücksvogel beitrug. Nach der Christianisierung galt der Rabe in Europa aufgrund seiner mystischen Bedeutung bei den Vorgängerkulten aber als ein böses Tier. Im Mittelalter und später wurden die Leichen von Erhängten häufig nicht beerdigt, so wurde der Rabe sogar zum Galgenvogel.
Eine Rolle spielt die Krähe auch in nordamerikanischen Indianer-Märchen, wo sie im Gegensatz zu westafrikanischen Märchen eine positive Rolle innehat. In Indien begleiten Krähen die Göttin Kali. In christlichen Sagen ist die Krähe der Bote des Heiligen Oswald und zwei Raben haben die Mörder des Meinrad von Einsiedeln verfolgt und vor Gericht geführt. Hexen und Zauberer vermögen sich in Krähen zu verwandeln, ein Motiv, das der Kinderbuchautor Otfried Preußler sehr ausführlich in seinem Buch Krabat aufgegriffen hat, ebenso die Macher des Fernseh-Märchens Der Zauberrabe Rumburak.
Bis in die heutige Zeit sind Raben und Krähen beliebte Symbole in Lyrik, Prosa, Filmen und Lebensart. Beispiele dafür sind mehrere Gedichte und Filme mit dem Titel Der Rabe, das Kinderbuch Der kleine Rabe Socke, die Comicreihe The Crow und die Band Corvus Corax.